Man nehme eine sehr gute Freundin, ein Auto mit Dachzelt, zwei Wochen Zeit, sowie Ausrüstung zum Wandern und Campen, schaue auf die Wetterkarte und fahre dorthin, wo es Berge und Sonne gibt: In unserem Fall in die französischen Alpen. Herauskommt ein Roadtrip der Extraklasse mit Übernachtungen im Dachzelt, Auto, Zelt, oder auch unter freiem Himmel. Tage und Nächte in den Bergen, weit entfernt von jeglicher Zivilisation, umgeben von wunderbarer Natur. Die französischen Alpen haben mich zutiefst begeistert!
Für mich gibt es nichts Schöneres, als mit tollen Menschen Zeit in der Natur zu verbringen. Und da meine Freundin Frenzi das ganz genauso sieht, waren wir uns einig, spontan und ohne großen Plan einfach mal Richtung Berge zu fahren und mehrere Zwei- bis Dreitagestouren zu unternehmen. Den Start machen wir im Vercors Regionalpark, ein Bergmassiv im französischen Alpenvorland. Weiter ging es in den Écrins Nationalpark, wo wir wiederum zwei Tage unterwegs waren. Nach einem Zwischenstopp im Verdon Regionalpark ging es zum Abschluss nochmals für eine Zweitagestour in den Mercantour Nationalpark. Egal, wo wir hinkamen, überall erwartete und grandiose Natur, wenig Menschen und die Möglichkeit, in den Bergen zu übernachten und mehrtägige Wanderungen zu unternehmen (mit Ausnahme des Verdon Parks, dazu aber weiter unten mehr).
3 Tage Idylle im Vercors Regionalpark
Den Vercors Regionalpark hat uns Frenzis Mutter empfohlen. Die Gegend ist bekannt für seine idyllische Hocheben, von der man traumhafte Aussichten auf die höheren Berge und vor allem auch auf den Mont Aiguilles hat, der als Wahrzeichen des Vercors gilt. Kaum zu glauben, dass dieser schroff abfallende Berg, der an die Berge im Monument Nationalpark in den USA erinnert, bereits 1492 das erste Mal bestiegen wurde! Wir bestiegen den Mont Aiguilles zwar nicht, genossen es aber, ihn auf unserer dreitägigen Tour aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu bestaunen.
Da der Vercors eine Hochebene ist, gibt es nur wenige Wasserquellen. Dementsprechend hatten wir recht viel Wasser bei uns und wussten, an welchen Stellen wir die Flaschen wieder auffüllen konnten. Allerdings stellte sich auch heraus, dass nicht alle in der Karte eingetragenen Wasserquellen auch Wasser führten. Dementsprechend hatte jede von uns immer 3-4 Liter Wasser im Rucksack.
Und auch Steinböcke haben wir getroffen! Silhouetten zum Sonnenuntergang Was für ein erster Zeltplatz!
Im Vercors ist es erlaubt, ein Nachtbiwak aufzuschlagen. Wir vermuten, dass dies der Grund ist, warum uns hauptsächlich junge Menschen begegneten, die allesamt große Rucksäcke mit Zelt, Isomatte und Schlafsack trugen – so wie wir eben auch. Dazu noch das Wasser und ausreichend Verpflegung und wir waren gut und gerne bei 15+ Kilogramm, die wir auf dem Rücken hatten. Aber mit einer schönen Aussicht wandert es sich bestens 🙂
Biwak unter freiem Himmel Ein idyllisches Hochplateau ist das!
Nach drei Tagen Idylle im Vercors ging es weiter in den Écrins Nationalpark.
Gipfel und Kühe im Écrins Nationalpark
Auch im Écrins hatten wir eine Dreitagestour geplant, doch es kam etwas anders. Aber der Reihe nach. Die Tour startete super, wir machten am ersten Tag einiges an Höhenmetern und stiegen erstmal durch dichten Wald auf, bis wir nachmittags über der Baumgrenze ankamen. Dort erreichten wir eine Schutzhütte und suchten uns in deren Umgebung einen Ort für die Übernachtung im Zelt. Auch hier trafen wir wieder junge Franzosen, die ebenfalls mit dem Zelt unterwegs waren.
Der zweite Tage startete dann wirklich beeindruckend! Nach einem weiteren Anstieg erreichten wir einen kleinen See und hatten von dort aus eine Überschreitung von fünf miteinander verbundenen Gipfeln vor uns. Die Stimmung war mystisch, tiefhängende Wolken verschleierten die umliegenden Gipfel und gaben sie manchmal für einige Sekunden wieder frei.
Nach dem letzten Gipfel ging es runter zu einem weiteren Bergsee und über eine Scharte auf der anderen Seite der Bergkette wieder hinab. Wir schauten uns nach einem geeigneten Platz für die Nacht um, waren aber noch sehr früh dran und liefen an einigen guten Stellen vorbei. Als es dann doch langsam Zeit wurde, fanden wir eine Wiese, auf der wir unser Zelt aufschlagen konnten. Allerdings stellte sich heraus, dass es eine Kuhweide war (wie der Rest des Tals auch), die Kühe jedoch weit entfernt grasten. Also bauten wir das Zelt auf und fingen an zu kochen. Nach dem Essen kamen die Kühe dann immer näher und plötzlich waren wir umzingelt. Und eine Herde ausgewachsener Kühe kann doch etwas beeindrucken!
Im Nebel Von den Kühen vertrieben…
Also retteten wir uns auf einen nahegelegenen Felsbrocken und versuchten, die Kühe von dort oben aus zu vertreiben. Aber keine Chance, unser Zelt, die Kochutensilien und anderen Habseligkeiten waren plötzlich sehr viel spannender, als das saftige Gras der Weide. Also harrten wir sicher eine halbe Stunde aus, bis die Leitkuh dann doch beschloss weiterzuziehen.
Und auch wir hatten beschlossen, weiterzuziehen. Auf einer Weide mit Kühen zu schlafen, war vielleicht doch nicht die allerbeste Idee. Allerdings war es schon Abend und weitere Zeltplätze rar, da das Gelände abschüssig war. Letztlich entschieden wir uns, im Dunkeln komplett bis runter ins Tal zu laufen und dann die Nacht im Auto zu verbringen. So wurde aus unserer Dreitagestour eine Zweitagestour, die abgesehen vom Zwischenfall mit den Kühen wirklich ein Traum war. Und ein bisschen Abenteuer gehört eben auch dazu.
Einsame Tageswanderung im Verdon Regionalpark
Vom Écrins wollten wir weiter in den Süden, suchten uns völlig willkürlich auf der Landkarte einen See raus und fuhren dorthin. Nun ja, stellte sich heraus, dass wir durch Zufall am vermutlich touristischsten Ort der Gegend gelandet waren: der Schlucht von Verdon mit ihrem türkisblauen Wasser und tausenden von Menschen. Da war schnell klar, dass wir hier nicht bleiben wollten und wir fuhren weiter hinein in das Innere des Verdon.
Dort fanden wir dann auch die Einsamkeit der Berge, wie wir sie so gerne haben. Zwar ist es im Verdon nicht erlaubt zu biwakieren, aber auch auf einer Tageswanderung kann man viel sehen und erleben! Und vor allem schafft man ganz schön Strecke, wenn man plötzlich keine 15 Kilo mehr auf dem Rücken hat!
Wir planten uns mit komoot eine 20km Runde, die einen Berggipfel, sowie eine weitere Attraktion der Gegend beinhaltete: die Cadière de Brandis, eine wirklich spektakuläre Felsformation.
Kraxeleien auf dem Weg zum Gipfel Über den Wolken
Hier war die Landschaft ein ums andere Mal komplett anders und geprägt von Sträuchern, Trockenheit und Lavendelpflanzen. Besonders die Morgenstimmung war wirklich toll, denn der Nebel hing tief unten im Tal und so wanderten wir über den Wolken.
Nach diesem kurzen aber schönen Ausflug in den Verdon ging es zum Abschluss noch in den Mercantour Nationalpark.
Seen, Aussichten und ein ungewollter Abstecher nach Italien im Mercantour Nationalpark
Für die letzten Tage unseres Roadtrips suchten wir uns den Mercantour Nationalpark aus und planten uns mit komoot eine Zweitagestour, die idyllische Bergseen und spektakuläre Aussichten versprach. Und damit definitiv nicht enttäuschte!
Nach dem obligatorischem steilen Aufstieg durch den Wald, erreichten wir auch hier gegen Mittag die Baumgrenze und recht bald auch die erste Aussicht auf einen kleinen Bergsee. Und es sollten noch viele weitere werden!
Der Weg war wirklich traumhaft schön und wir wanderten durch eine Hochebene, wo sicher fünf oder sechs kleine Seen nebeneinander lagen. Wirklich traumhaft! Und wären wir etwas später dran gewesen, wären das die perfekten Spots zum Zelten gewesen. Wir wanderten allerdings noch weiter und der gut gekennzeichnete Pfad weichte schon bald einem Stein- und Felsfeld, wo nur noch Steinmännchen ab und an in die richtige Richtung deuteten.
Idyllische Hütte – aber für uns zu viel Trubel! So viele Seen im Mercantour!
Am höchsten Punkt angekommen, bot sich uns eine grandiose Aussicht. Berge in alle Richtungen! Angeblich trafen an dieser Stelle einige Wanderwege zusammen, allerdings sahen wir auch nach mehrmaligem Suchen nur einen – diesen dafür umso offensichtlicher und so stiegen wir dort wieder ab. Nach etwa einer Stunde Abstieg stellten kamen wir endlich mal wieder an ein Schild – das auf italienisch war und nicht mehr auf französisch! Was war denn jetzt los!? Ein Blick auf die Karte zeigte, dass wir wohl den falschen Weg gewählt hatten und fälschlicherweise nach Italien abgestiegen waren. Aber halt, da war doch kein anderer Weg, wo hätten wir denn sonst hinlaufen sollen!? Aber es blieb uns nichts anderes übrig, als die 400 Höhenmeter wieder hochzuwandern (wofür wir erstaunlicherweise nur eine halbe Stunde brauchten) und an der Scharte erneut die Augen nach weiteren Wegen bzw. Steinmännchen offenzuhalten. Und tatsächlich! Nach 20 Minuten des Suchens und Herumirrens über Felsen und Geröll, fand Frenzi tatsächlich ein Steinmännchen! Und Glücklicherweise stellte sich heraus, dass wir nun den richtigen “Weg” gefunden hatten.
Weit und breit nur Felsen und Steine Und traumhafte Aussichten! Den Steinbock trafen wir auf unserem Irrweg 😉
Meine Energie war nach den 400 Höhenmetern extra allerdings am Ende, ich hatte einen ziemlichen Hungerast und lief wie in Trance einfach nur Frenzi hinterher, die wie eine Bergziege von einem Stein zum nächsten hüpfte. Manchmal passiert es mir, dass ich gar nicht merke, wie sehr ich Hunger habe und wie dringend ich etwas zu essen brauche. Ich merke dann nur, dass ich unkonzentriert werde und meine Füße nicht mehr so sicher setze. Zum Glück konnte Frenzi diese Anzeichen besser deuten als ich selbst und sie gab mir Nüsse und Kekse. Danach gings besser und wir konnten auch die Seen sehen, die wir uns auf der Karte als Zeltplatz ausgesucht hatten.
Der Abstieg hinunter war eine ganz schöne Herausforderung, weil es auch hier keinen Weg gab, sondern nur angedeutete Steinmännchen. Diese führten extrem steil über Schutt und Geröll, Felsen und Steine stetig bergab. Und als wir nach einer gefühlten Ewigkeit den See erreichten, bauten wir müde unser Zelt auf und freuten uns auf Reis mit Linsen und Tomatenmark. Am nächsten Morgen konnte ich die Schönheit unseres Zeltplatzes dann besser genießen – umgeben von 3000 Meter hohen Bergen, einfach beeindruckend!
Ein traumhafter Zeltplatz! Spektakuläres Abendlicht
Der zweite Tag war dann weniger spektakulär und bestand hauptsächlich daraus, über 2000 Meter wieder abzusteigen. Aber natürlich kamen wir auch heute noch an weiteren Seen vorbei, bevor es dann wieder in den Wald ging.
Fazit
Die französischen Berge haben mich wirklich zutiefst beeindruckt und begeistert! Bisher hatte ich Frankreich immer nur mit wunderschöner Küste und Meer, sowie eher ebenen (langweiligen?) Landschaften assoziiert, weil wir früher auf dem Weg in den Urlaub in der Bretagne viele Stunden durch oft öde Landschaft gefahren sind. Dass es in Frankreich auch traumhaft schöne Berge gibt, habe ich nun herausgefunden und es war sicher nicht das letzte Mal, dass ich zum Wandern oder Radfahren dort war!
Einige Learnings dieser zwei Wochen
- Berge sind immer schön! Das ist keine neue Erkenntnis, aber eine erneute Bestätigung, dass ich Berge einfach liebe und sie überall schön sind!
- Ich liebe Mehrtagestouren. Natürlich kann man auch tolle Natur auf Tageswanderungen erleben, aber gerade in den Alpen sind die einsamen Orte doch manchmal erst auf einer Mehrtagestour zu finden. Und wenn ich mehrere Tage und Nächte am Stück draußen verbringe, fühle ich mich der Natur noch viel näher.
- Spontanität ist wunderbar. Keinen festen Plan zu haben und sich nach dem Wetter zu richten, bringt einen an Orte, die man sonst vielleicht nicht auf dem Schirm gehabt hätte.
- Keine Erwartungen zu haben, überrascht einen immer positiv. Wenn man sich vorher nicht über eine Gegend informiert, hat man auch keine Erwartungen, die enttäuscht werden könnten. Stattdessen nehme ich alles so hin und auch wahr, wie es ist und freue mich darüber.
- Die Blumenwelt in den Bergen ist der Wahnsinn! Noch nie habe ich so viele verschiedene Blumen an einem Fleck gesehen, wie im Écrins Nationalpark. Wow!
- Regelmäßig zu essen, macht den Unterschied! Auch wenn ich auf einer Wanderung vielleicht keinen Hunger habe, muss ich mich dennoch zwingen zu essen. Keine Energie zu haben und dadurch unsicher zu werden und Fehler zu machen, darf man sich in den Bergen nicht erlauben.
- Was man sich zu Hause nie kochen würde, schmeckt in den Bergen fantastisch! Couscous mit Harissa und Tomatenmark? Ganz schön lecker, wenn man 10 Stunden gewandert ist!