Bikepacking Fehler macht man lieber auf einer kleinen Test-Tour in heimischen Gefilden, als auf einer Solo-Tour durch Skandinavien, wo es kein Zurück gibt. Und da ich schon seit langer Zeit von einer solchen langen Radreise träume, war es an der Zeit, meine erste Allein-Tour anzugehen und mal zu schauen, ob das überhaupt mein Ding ist. Ich schwelge schon seit Ewigkeiten in Gedanken, wie ich mit meinem Rad durch verlassene Landstriche fahre, neue Kulturen kennenlerne und Menschen treffe – am besten auf einer mehrmonatigen Reise von Deutschland nach Vietnam oder nach Südafrika, so richtig “all in” eben. Oder ich denke darüber nach, wie ich mit dem Rad entlang der norwegischen Küste fahre, abends mein Zelt an einem einsamen Fleckchen wunderbarer Natur aufbaue und dort den Sonnenuntergang bewundere. Ziemlich kitschig alles, oder? Und dafür, dass ich abgesehen von zwei Touren durch den Schwarzwald noch nie eine längere Radreise gemacht habe, vielleicht auch ein klein wenig abwegig.
Um das mit dem Radreisen also nochmal auszuprobieren, bevor ich mich dann vielleicht doch irgendwann auf eine längere Fahrt begebe, wollte ich zumindest mal Deutschland per Rad durchqueren. Die Strecke: von Freiburg nach Bremen. Der Zeitplan: Fünf Tage. Im Schnitt 150 Kilometer am Tag sollten doch machbar sein für mich, die regelmäßig drei bis vier Mal pro Woche auf dem Mountainbike sitzt. Geplant, getan. Ich packte meine Ausrüstung in Bikepacking-Taschen, befestigte diese an meinem Gravelbike und lud die einzelnen Tagesetappen bereits fertig geplant auf meinen Fahrradcomputer.
Tag 1: Viele Kilometer und wenig Genuss
Dass alles anders kommen würde, wurde mir schon etwa einer Stunde auf der Straße klar. Erst sechzig Minuten unterwegs und mir war bereits langweilig. Meine Gedanken kreisten um den Satz “Und das mache ich jetzt ernsthaft fünf Tage lang!?” Hinzu kam, dass die Strecke alles andere als ideal war: Anstatt gemütlich auf dem Rheinradweg gen Norden zu rollen, hatte ich mich für die östliche Variante entschieden und fuhr am westlichen Fuße des Schwarzwalds von einem kleinen Dorf zum nächsten, durch unzählige Kreisverkehre und war ständig gezwungen, an Kreuzungen anzuhalten oder die Straßenseiten zu wechseln, weil die Radwege direkt neben der Straße eindeutig in der Verkehrsplanung nicht priorisiert geworden waren.
Nach drei Stunden dieses unbefriedigenden Stop and Go neben einer dicht befahrenen Landstraße, entschloss ich mich, spontan doch zum Rhein zu fahren und dort Richtung Norden weiterzutreten. Nach einer Weile suchte ich mir einen Podcast und hörte diesen über Kopfhörer und das vertrieb meine Langweile ein bisschen. Dennoch krochen die Kilometer und Stunden nur so dahin und mir war schon an diesem ersten Tag klar, dass dass eine zähe Woche werden würde.
Meine erste Übernachtung war ein Campingplatz kurz hinter Bruchsal – idyllisch gelegen an einem See und ein vermeintlich perfektes Ziel für den ersten Tag. Dass ich am Ende durch meinen Umweg 190 Kilometer auf dem Tacho stehen haben würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Fix und fertig kam ich kurz vor Schließung der Rezeption dort an und stelle fest, dass ich auf einem Campingplatz für Dauercamper gelandet war, etwas anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Nun ja, das Zelt war schnell aufgebaut, der See angenehm und einen Supermarkt gab es auch. Was brauchte ich mehr?
Tag 2: Knieschmerzen vom feinsten…
Der nächste Tag begann holprig: Mein Hinterreifen hatte eine “Beule”, an der das Gummigewebe aufgeplatzt war und sich eine Luftblase im Mantel gebildet hatte. So viel war klar: Damit konnte ich nicht weiterfahren. Glücklicherweise gab es keine zehn Minuten vom Campingplatz einen kleinen Radladen, wo mir auch direkt geholfen wurde. Mit einem neuen Reifen fuhr ich also los.
Diese Beule machte Probleme…
Doch weit sollte ich nicht kommen. Die 190 Kilometer vom Vortag hatten ihren Tribut gefordert: Zu Anfang nur leicht, nach einer Weile immer stärker schmerzte mein linkes Knie. An einer Stelle, die mir gar noch nie bei irgendeiner Aktivität wehgetan hat. Zuerst ignorierte ich den Schmerz, aber nach einer Zeit war er allgegenwärtig und das ständige Abwinkeln des Knies bei jedem Tritt in die Pedale wurde zur Qual. Ich überlegte, welche Möglichkeiten ich hatte. Am zweiten Tag schon aufzugeben, war eigentlich keine Option und so fuhr ich weiter, versuchte, das linke Knie zu entlasten, indem ich kraftvoller mit dem rechten Bein trat.
Als ich Mannheim erreichte, war ich mit den Nerven schon ziemlich am Ende, denn jeder Pedaltritt schmerzte höllisch. Ich hatte festgestellt, dass das Problem nur im Sitzen bestand und so fuhr ich kilometerlang im Stehen. Dennoch war mir klar, dass es so nicht weitergehen würde, denn durch die anhaltende Bewegung würde mein Knie nicht besser werden.
Tag 3: Und jetzt? Aufgeben?
Also mache ich erstmal eine lange Mittagspause und überlegte, wie es weitergehen sollte. In den Zug zu steigen, fühlte sich wie eine Niederlage an. Das wollte ich noch nicht. Weiterzufahren würde die Überlastung meines linken Knies aber nur noch mehr verschlimmern. Was also tun?
Ich beschloss, dem ganzen Unterfangen nochmals eine Chance zu geben und weiter bis nach Worms zu fahren. Je nachdem, wie es diese 20 Kilometer laufen würde, wollte ich entweder weiterfahren, oder in den Zug nach Mainz steigen und mich bei einer Freundin auskurieren, bevor ich dann wiederum weiterfahren wollte.
Es kam, wie es kam und ich beschloss in Worms, mit dem Zug nach Mainz zu fahren. Dort schmierte ich mein Knie dick mit Voltaren ein und konnte doch am ersten Abend schier nicht mehr laufen. Nach der Nacht ging es dann schon etwas besser, aber der Gedanke, aufs Rad zu steigen, war doch etwas abschreckend. So beschloss ich, eine weitere Nacht bei meiner Unifreundin Kat zu bleiben und erst am Tag drauf weiterzufahren.
Als ich dann wieder aufs Rad stieg, ging es auch ganz gut. Ich fuhr extrem vorsichtig, achtet auf meine Fußstellung auf dem Pedal und versuchte, mit dem linken Bein so wenig Kraft wie möglich auszuüben. So schaffte ich immerhin 120 Kilometer bis kurz hinter Koblenz und übernachtete auf einem Campingplatz am Rhein. Die Strecke entlang des mäandernden Flusses war eine gute Abwechslung zu seiner schnurgeraden Fließrichtung in Baden-Württemberg.
Mittlerweile lag ich weit hinter meinem Zeitplan und hatte noch die Hälfte der Strecke vor mir. Die Knieschmerzen waren zwar über die meiste Zeit des Tages erträglich gewesen, aber am Ende des Tages wurden sie wieder so stark, dass ein Weiterfahren nicht möglich gewesen war.
Es hat nicht sein sollen.
So fiel es mir dann doch nicht allzu schwer, mir einzugestehen, dass ich etwas blauäugig an diese Tour herangegangen war und sich die Dinge anders entwickelt hatten, als ich das geplant hatte. Ich hatte die Tagesetappen falsch angesetzt und dadurch schon am ersten Tag mein Knie überlastet. Hinzu kam, dass mir das Radfahren alleine keinen Spaß machte. Ich bin ein geselliger Mensch, ich brauche Leute um mich, mit denen ich meine Erlebnisse teile. Ich beschloss, am folgenden Tag weiter bis nach Bonn zu fahren und dort in den Zug nach Bremen zu steigen.
Auf eine Art war ich enttäuscht, meinen Plan, mit dem Rad nach Bremen zu fahren, nicht umgesetzt zu haben. Ich gebe nicht gerne auf, wenn ich mir etwas vorgenommen habe. Und dennoch bin ich froh über die Entscheidung. Dass es für mein Knie besser war, eine Pause zu machen, das war sowieso klar. Aber auch die Tatsache, mir meine Fehlplanung einzugestehen und eine Unternehmung abzubrechen, war eine neue Erfahrung für mich und ich bin froh darüber, sie so gemacht zu haben. Denn auch wenn die Tour nicht von Erfolg gekrönt wurde, habe ich doch so einiges gelernt:
Learnings
- Man sollte sein Tagespensum steigern. Anstatt am ersten Tag die längste Distanz zu fahren, hätte ich erstmal langsam anfangen sollen, um die Strecken dann langsam zu steigern. Der Körper muss sich an eine gleichbleibende Belastung erstmal gewöhnen und ich habe mein Knie am ersten Tag so stark überfordert, dass es dann für den Rest der Tour gestreikt hat.
- Realistische Tagesetappen planen. Ich nahm mir pro Tag zu viele Kilometer vor und so hetzte ich durch die Landschaft, hatte keine Zeit für Pausen und keine Zeit zu genießen. Obwohl es kein Wettkampf war, habe ich die Tour zu einem gemacht. Und dementsprechend wenig Spaß hatte ich.
- Plan as you go. Ich habe den Fehler gemacht, meine Tagesetappen schon genau vorzuplanen. So musste ich es bis zum gewählten Campingplatz schaffen, auch, wenn ich vielleicht schon 50 Kilometer früher Feierabend hätte machen wollen.
- Podcasts und Musik helfen gegen die Einsamkeit. Ich verbringe ungerne ganze Tage alleine. Schon gar nicht, wenn meine einzige Aufgabe darin besteht, von A nach B zu kommen und ich stundenlang nur in die Pedale trete. Ich wünschte mir eine Freundin an meiner Seite, um uns zu unterhalten und Momente gemeinsam zu genießen. Podcasts und Musik haben ein bisschen geholfen.
- Planänderungen sind keine Niederlage. Auch wenn ich meine Tour nicht so beenden konnte, wie ich das geplant hatte, bin ich glücklich über meine Entscheidung. Die Gesundheit ist wichtiger, als ein Ziel zu erreichen. Über eine Zieleinfahrt mit Knieverletzung kann man sich vermutlich auch nicht freuen.
2 Comments
Hallo Saskia,
ich kenne Dich ja nun schon eine Weile von der KOMOOT Plattform und finde Deine
Herausforderungen toll und sportlich begeisternd.
Du hast Dich auf Deiner Tour nach Bremen richtig entschieden, etwas sportliches vornehmen und nicht zu Schaffen ist mehr Wert
als seinen Körper nicht zu vordern. Die Erfahrung wächst mit den Anforderungen an sich selbst. Folge weiter Deiner inneren Stimme.
Meine Marathon-Erfüllung in Bräunlingen hatte ich auch erst mit 55 Jahren.
Viele Grüße und Erfolg im Leben
Peter53 (Peter Lenz9
Hallo Peter! Danke vielmals für deine Worte – ich sehe es ja im Grunde ganz genauso: Wenn der Körper Zeichen gibt, muss man darauf hören. Dennoch fühlte es sich in dem Moment nicht gut an, ich bringe meine Pläne eben gerne zu Ende 😉 Rückblickend war es aber dennoch eine gute Erfahrung ich habe Einiges gelernt!